Wie ich nach der Krebsdiagnose wieder Vertrauen in meinen Körper fand
- Yvonne Berker
- 3. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Am Anfang war da dieser Bruch
Heute weiß ich: Heilung beginnt mit Beziehung
Drei kleine Rituale, die mich begleitet haben
Als ich die Diagnose bekam, fühlte es sich an, als hätte jemand einen Riss durch mein Leben gezogen. Ein Riss, der mich von mir selbst trennte, besonders von meinem Körper.
Er, der mich getragen hatte. Er, der mich atmen ließ, lachen, tanzen, lieben. Plötzlich war er zu etwas geworden, dem ich nicht mehr trauen konnte.
Ich fühlte mich betrogen.
Von Zellen, die sich gegen mich gewandt hatten.
Von einem Körper, der mich im Stich gelassen zu haben schien.
Ich erinnere mich an den Moment im Bad, als ich meinen Körper im Spiegel sah, diese Narben, diese Spuren.
Ich dachte nur: „Wie soll ich dich jemals wieder lieben können?“
Zwischen Kontrolle und Misstrauen
Ich funktionierte. Ich tat, was getan werden musste, Untersuchungen, Behandlungen, Tabletten, Entscheidungen.
Ich war die, die stark war. Die, die sagte: „Ich schaffe das.“
Aber innerlich war ich abgeschnitten.
Ich hörte meinen Körper, aber ich wollte ihm nicht zuhören. Ich wollte ihn beherrschen, überlisten, reparieren. Doch in Wahrheit war ich voller Angst. Denn tief in mir war eine Stimme, die flüsterte: „Wenn du loslässt, zerbrichst du.“
Dann kam dieser Moment der Stille
Ich weiß nicht mehr genau, wann es war, vielleicht an einem Nachmittag, an dem ich einfach nicht mehr konnte. Ich saß auf dem Sofa, die Sonne fiel durchs Fenster, und für einen Moment hörte ich auf, mich zu wehren.
Ich legte meine Hand auf meinen Bauch. Nicht, um zu prüfen, ob etwas „stimmt“, sondern einfach, um zu spüren.
Da war Wärme. Bewegung. Leben. Kein Verrat. Kein Kampf. Nur eine leise Präsenz, die sagte:
„Ich bin da. Ich hab dich nie verlassen.“
Ich weinte. Zum ersten Mal nicht aus Angst, sondern, weil ich begriff, wie sehr ich diesen Körper verurteilt hatte. Wie sehr ich ihn für etwas verantwortlich gemacht hatte, was in Wahrheit nur sein Hilfeschrei gewesen war.
Mein Körper war nicht mein Feind, er war meine Stimme
Er wollte mir etwas zeigen. Er wollte mich aufwecken. Er wollte, dass ich endlich aufhöre, gegen mich zu leben.
Ich begann, mich wieder zu bewegen, nicht um Kalorien zu verbrennen oder Muskeln zu stärken, sondern um zu spüren, wo mein Körper beginnt und wo meine Angst endet.
Ich begann, bewusst zu essen, nicht, um „gesund“ zu sein, sondern um liebevoll zu sein.
Ich berührte meine Haut, meine Narben, mein Herz, nicht mit Urteil, sondern mit Dankbarkeit.
Und langsam veränderte sich etwas. Nicht im Außen. In mir.
Das Vertrauen kam nicht auf einmal. Es kam in Momenten. In Atemzügen. In Begegnungen mit mir selbst.
Heute weiß ich: Heilung beginnt mit Beziehung
Ich habe gelernt, dass Heilung mehr ist als das Verschwinden einer Krankheit.
Heilung bedeutet, die Verbindung zu sich selbst wiederzufinden.
Zu spüren, dass dein Körper nicht dein Feind ist, sondern dein Kompass.
Er zeigt dir, wo du dich verlaufen hast, wo du dich zu sehr angepasst, zu lange vernachlässigt, zu still gemacht hast. Und er zeigt dir, wohin du heimkehren darfst:
Zu dir.
Wenn du das hier liest und dich gerade fremd fühlst in deinem eigenen Körper, dann fang klein an. Atme. Leg die Hand auf dein Herz.
Sag: „Ich bin hier. Ich höre dich.“
Du musst ihn nicht sofort lieben. Aber du darfst beginnen, ihn wieder wahrzunehmen. Denn in jedem Atemzug liegt die Möglichkeit, neu zu vertrauen.
Drei kleine Rituale, die mich begleitet haben
Berührung ohne Ziel: Lege deine Hand auf eine Körperstelle, die du bisher gemieden hast. Sag leise: „Danke, dass du da bist.“ Beobachte, was geschieht.
Bewegung als Gebet: Geh spazieren, tanze, dehne dich, nicht, um etwas zu leisten, sondern, um dich selbst wieder zu spüren.
Tägliches Lauschen: Frage dich: „Was braucht mein Körper heute?“
Vielleicht ist es Ruhe.
Vielleicht Nähe.
Vielleicht ein Nein.
Und dann höre auf die Antwort.



Kommentare